Horst Thermann: Sennestadtverein - Erinnerungen an die Anfänge |
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Vorgedacht wurde der Sennestadtverein eigentlich schon
1967/68 im Redaktionsteam des „Sennestadtbuches“.
Mit diesem „Heimatbuch“ sollte nicht nur die Entstehung
unserer soeben von der Landesregierung zur Stadt erklärten
Sennestadt dokumentiert werden. Die vielen Neubürger
des „Gebildes aus der Retorte“, der „Stadt auf der
grünen Wiese“ sollten durch dieses Buch auch mit dem
Wissen um die Vorgeschichte, die Geschichte der
Gemeinde Senne II, die „Geschichte einer Landschaft“,
mit ihrer neuen Heimat vertraut gemacht und damit stärker
in sie eingebunden werden. Das jedenfalls war die
Idee, war der Wunsch des Rates der neuen Stadt mit
dem dynamischen Bürgermeister und Kulturausschuss-
Vorsitzenden Hans Vogt an der Spitze.
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Deshalb waren die Mitglieder des
redaktionellen Ausschusses Oberstudienrat
Friedhelm Kampsmann, Rektor und
Heimatkundler Heinrich Koch, Ortsheimatpfleger
Ernst Neumann, der Designer
und Werbefachmann Horst R. Wasgindt
und ich selbst als Kulturausschuss-
Mitglied bereits bei der Herausgabe 1968
der Meinung, dass dieses grundlegende,
alle heimatgeschichtlichen Aspekte
umfassende Buch künftig weitergeschrieben
werden müsse. Nach der Kommunalen
Neuordnung von 1973 und der
damit vollzogenen Eingliederung Sennestadts
in die Stadt Bielefeld wurde das aus
meiner Sicht schneller erforderlich als
gedacht. Deshalb regte ich als Nachfolger
von Hans Vogt gewählter Bezirksvorsteher
1979 eine zweite, erweiterte Auflage an. Sie wurde
nun mitgestaltet von NW-Redakteur Dieter Burkamp,
Peter van Hekeren als stellvertretendem Bezirksvorsteher,
vom ehemaligen Stadtdirektor Klaus Meyer, dem
Bezirksvertreter Wolfgang Niermann, dem Bezirksamtsleiter
Günther Tiemann sowie dem ehemaligen Bürgermeister
und Bezirksvorsteher Hans Vogt.
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Die Aktivitäten von Heimatvereinen in umliegenden
Gemeinden und Stadtbezirken riefen in mir die bereits
bei der Redaktionsarbeit für das erste Sennestadtbuch
diskutierten Überlegungen wieder wach, dass ein „Sennestadt-
Verein für Heimatgeschichte und Heimatpflege“
gerade für unseren Stadtbezirk wichtig sei, um in der
Großstadt Bielefeld den „Sennestadt-Gedanken“, das
Wissen um die Geschichte unseres Raumes wie um die
tragenden Ideen für die Gründung dieser neuartigen
Siedlung zu bewahren und weiterzutragen. Dies umso
mehr, als es auch galt, die nach wie vor depressive Stimmung
nach unserer „Eingemeindung“ durch kulturelle
Initiativen wie diese zu überwinden und ein neues Sennestädter
Selbstbewusstsein zu wecken.
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Bei Hans Vogt, der sich – nicht zuletzt aus Enttäuschung
über die eingeschränkten Möglichkeiten für politisches
Handeln – aus der Rats- und Bezirksvertretungsarbeit
zurückgezogen hatte – stieß ich mit meiner Idee
auf offene Ohren. Er war bereit, sich „in einem solchen
Rahmen wieder für unsere Sennestadt einzusetzen“ und
den Vorsitz des zu gründenden Vereins zu übernehmen.
Und so konnte ich am 4. Mai 1983 die oben genannten,
mit der Erarbeitung der beiden Sennestadtbücher
befassten Herren sowie den neuen Leiter der Volkshochschul-
Nebenstelle, Ulrich Schlawig, mit der folgenden
Begründung zu einem „Gespräch über die evtl. Gründung
eines Sennestadt-Vereins“ einladen:
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Einladung zur Gründung
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„Sie haben sich in den letzten Jahren in
besonderer Weise für die Stadt bzw. den
Stadtbezirk Sennestadt, für die Landschaft
und für die Menschen dieses Raumes
engagiert und mit dazu beigetragen,
Gewachsenes zu bewahren und den aus
vielen Teilen Deutschlands zugezogenen
Menschen ein neues Heimatgefühl zu
geben, etwa bei der Herausgabe und späteren
erweiterten Neuauflage des Sennestadtbuches,
im Rahmen der Volkshochschularbeit
und Sie, verehrter Herr Neumann,
als Ortsheimatpfleger und Betreuer
des Sennestadtmodells und des Sennestadtarchivs.
Nun gibt es Überlegungen,
wie diese gute Arbeit langfristig gesichert
und weitergeführt werden kann. Ich möchte sehr
gern mit Ihnen erörtern, ob die Gründung eines Heimatvereins
sinnvoll ist, und würde mich freuen, wenn
wir uns am 31. Mai 1983 im Sennestadthaus zu einem
Meinungsaustausch treffen könnten.
Aufgabe eines Heimatvereins könnte es sein, sich um
die Heimatgeschichte und um die Heimatpflege, bezogen
auf den Stadtbezirk Sennestadt, zu kümmern. Langfristig
könnte er etwa auch für die Trägerschaft der Dokumentation
Sennestadt (jetziges Archiv) und die Fortschreibung
des Sennestadtbuches in Frage kommen, dies
alles in enger Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Ortsheimatpfleger.
Ein solcher Heimatverein könnte unter
dem Gesichtspunkt der Erhaltung und
Gestaltung Sennestadts und der Pflege des
Sennestadtgedankens ein Bindeglied für
das Sennestädter Vereinsleben sein. Denkbar
ist es, innerhalb des Vereins bestimmte
Gruppen zu bilden, z.B. zur Pflege der
plattdeutschen Sprache und des Brauchtums
(als Fortführung des jetzigen Volkshochschulkurses),
zur Heimatgeschichte
usw. Wir sollten weitere Ideen sammeln,
ordnen und auf ihre Umsetzbarkeit abklopfen
und vielleicht schon die Bildung eines
Heimatvereins vorbereiten...“
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Das Gespräch mit allen Eingeladenen
brachte große Zustimmung und eine erste
Auflistung konkreter Vorschläge für die
Struktur des Vereins:
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Sammelbecken, Bindeglied und Motor
für Sennestädter Vereine,
- Form und Betätigungsfeld auch für Einzelmitglieder,
- Ermöglichung spezieller Aktivitäten, z.B.
durch Bildung von Arbeitsgruppen wie
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Gruppe für Plattdeutsch und Brauchtumspflege
- Heimatgeschichtliche Gruppe
- Gruppe für Landschaftspflege und
Stadtgestaltung/Ortsbildpflege
- Wanderungen und Fahrten
- Dokumentationskreis/Archiv
- Vorbereitungskreis für Feste, Ausstellungen,
Vorträge
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Dieter Burkamp regte an, den Verein kurz
und prägnant „Sennestadtverein“ zu nennen,
und auch über meinen Vorstandsvorschlag
wurde man schnell einig: Hans Vogt
sollte Vorsitzender, Ulrich Schlawig Stellvertreter,
Peter van Hekeren Kassierer und
der jeweilige Bezirksamtsleiter Schriftführer
werden. Als „geborene“ Beisitzer sollten
der jeweilige Ortsheimatpfleger und
der jeweilige Bezirksvorsteher dem Vorstand
angehören.
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So beschloss es die Gründungsversammlung
des Vereins, die unter großer Anteilnahme
der Bevölkerung am 7. November 1983 im Sennestadthaus
stattfand.
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300 Mitglieder im ersten Jahr! |
Bereits ein halbes Jahr später konnte der Vorstand –
inzwischen erweitert um die Beisitzer Frau Rosemarie
Pieper und die Herren Eckhard Wissmann und Erich
Oberquelle – von über 300 Mitgliedern berichten,
darunter 29 Vereine, Verbände, Kirchengemeinden und
die Parteien CDU, FDP und SPD. Die Arbeitskreise
Dokumentation Wort (Leitung Ernst Neumann), Dokumentation
Bild (Ulrich Schlawig), Plattdeutsch und
Brauchtum (Hans Vogt) und Ortsbildpflege (Hans-
Ulrich Eltze) hatten ihre Arbeit aufgenommen. Auf Bitten
der Service-Clubs übernahm der Verein die Organisation
des bisher von ihnen veranstalteten „Christkindlmarktes“,
nun umbenannt in Sennestädter Weihnachtsmarkt.
Ab dem Fest zum Jubiläum „20 Jahre Sennestadt
/ 10 Jahre Sennestadthaus“ im Sommer 1985 wurden
auf Anregung der Bezirksvertretung auch die jährlichen
Sennestadtfeste – gemeinsam mit der Bezirksverwaltung
– ausgerichtet. Hinzu kamen vielfältige Vereinsaktivitäten,
deren Ausweitung 1997 in der Übernahme
der gesamten öffentlichen Kulturarbeit für den Stadtbezirk
durch die Stadt Bielefeld gipfelte.
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Übernahme der öffentlichen Kulturarbeit |
Nach der Auflösung des 1961 von mir mitbegründeten
Kulturringes Sennestadt e.V., der wegen personeller und
finanzieller Auszehrung (Streichung der städtischen Förderung)
seine verdienstvolle Arbeit einstellen musste,
regten der neue Vereinsvorsitzende Ulrich Schlawig
und ich bei der Bezirksvertretung an, die erheblich eingeschränkten
städtischen jährlichen Finanzmittel für
Kulturarbeit nun zu bündeln und dem neu gegründeten
Kulturkreis des Sennestadtvereins zu übertragen. Das
gemeinsam mit kulturell engagierten Vereinsmitgliedern
entwickelte Konzept sah bereits alle Aufgaben vor, die
seitdem vom Kulturkreis wahrgenommen werden.
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Die Fraktionen von SPD und CDU erhoben diese Anregung
zu einem gemeinsamen Antrag. Er wurde von der
Bezirksvertretung beschlossen und von der Stadt Bielefeld
akzeptiert. Der Kulturkreis konnte unter dem Vorsitz
von Ulrich Schlawig seine selbstgestellte Aufgabe
eigenverantwortlich beginnen.
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Damit wurde der Verein endgültig zu dem umfassenden
Sennestadt-Verein, der über die Ziele vieler traditioneller
Heimatvereine hinausgehend das gesellschaftliche
Leben unseres Stadtbezirks insgesamt prägt und belebt
und die Grundideen der Sennestadtgründer von einem
humanen Miteinander nicht nur bewahrt, sondern
zukunftsträchtig weiterzuentwickeln hilft.
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