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Nina Koch - Die Flucht nach Ägypten | |
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Nina Kochs Bronze-Relief "Die Flucht nach Ägypten" ist 49 x 35 cm
groß und ist seit 1994 in der Beckhof-Siedlung Sennestadt
angebracht.
Das Denkmal wurde den Heimatlosen gewidmet. die nach dem
Krieg seit 1958 in der Beckhof-Siedlung eine neue Heimat
gefunden haben. Die Flüchtlinge kamen aus Bulgarien, Estland,
Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Ruß
land, Serbien, Tschechoslowakei, Ukraine, Ungarn und Weißrußland.
Das Relief dient der Nachwelt als Mahnung aus der Vergangenheit zu lernen. Nur durch ein ständiges Erinnern an das Leid, das Tausende von Menschen in der Nachkriegszeit erfahren mussten, können wir das Schicksal der Vertriebenen nachvollziehen und versuchen, zukünftiges Leid zu verhindern. Auf dem Relief sind die Flüchtenden auf dem Weg in ihre neue Heimat dargestellt: |
Ein langer Zug von Menschen, die teilweise kleine Kinder auf dem Arm tragen oder Tiere mit sich führen. Ziellos, doch stetig, wandern sie einem ungewissen Schicksal entgegen. Über ihnen ist nichts als ein klarer Himmel zu sehen. Von der wandernden Masse wird allerdings nur ein kleiner Ausschnitt gezeigt. Müde und mit ernstem Blick bewegen sie sich vom Betrachter gesehen von links nach rechts. Auf der rechten Seite jedoch bleiben einige von ihnen stehen, vielleicht soll gerade eine Ruhepause eingelegt werden. Die Figuren sind nicht vollplastisch dargestellt. sondern verschmelzen mit dem Hintergrund. Einige Personen treten dabei stärker hervor als andere. So ist zum Beispiel in der Mitte des Bildes eine Figurengruppe besonders deutlich zu erkennen. Eine Frau sitzt auf dem Rücken eines Esels und hält ihr Baby auf dem Arm. Der Vater des Kindes steht seitlich dahinter und schaut mit ernstem, doch auch fürsorglichen Blick zu seiner Frau hinaus. Sein linker Arm ist stützend an ihre Taille gelegt. so als ob er ihr beim Absteigen behilflich sein wollte. Die Personen auf dem Relief haben gemeinsam, dass ihre Gesichtsausdrücke nicht eindeutig zu erkennen sind. In der Darstellung kommt es weniger auf Details an, sondern mehr auf den Gesamteindruck, den die Heimatlosen bei dem Betrachter hinterlassen. Daher tritt auch nur die beschriebene Figurengruppe und ein Esel mit Gepäck am linken Bildrand merklich in den Vordergrund. Die Personen im Hintergrund werden, je weiter sie hinten stehen, immer schemenhafter und sind teilweise auch nur eingeritzt. | |
An einigen Stellen ist nur ein Kopf zu sehen, der aus dem Dunkel hervortritt. Bis auf die oben angesprochene Gruppe besitzen die übrigen Figuren auf dem Relief nur eine geringe Plastizität, die vom Vordergrund zum Hintergrund abnimmt. Ganz hinten werden einige Personen durch eingeritzte Striche angedeutet und links ist ein halbplastischer Kopf zu sehen, der aus dem Dunkel hervorragt. Der Kopf des zweiten Esels im Bild ist als einziger vollplastisch ausgebildet. Durch dieses Wechselspiel zwischen Plastischem und Nichtplastischem entsteht einerseits Raumtiefe und andererseits eine Belebung des Bildes. Die Menschen scheinen von der langen Reise erschöpft zu sein, wie auch an der leicht gebeugten Haltung zu erkennen ist. Sie tragen einfache und eher ärmliche Kleidung und haben teilweise noch nicht einmal Schuhe an den Füßen. Reisegespräch ist nur vereinzelt zu sehen, dafür tragen einige der Auswanderer Tiere mit sich. Bis auf die beiden Esel gibt es zum Beispiel noch eine Ziege rechts am Bildrand und ein kleines Lamm, das einer der Männer auf dem Rücken trägt. Insgesamt macht das Bild einen eher ruhigen Eindruck, obwohl deutlich zu erkennen ist, dass die Auswanderer sich in einer schweren Situation befinden. Kompositorisch ist das Relief durch die Mittelwaagerechte in zwei Hälften aufgeteilt, wobei die Menschenmenge die untere Hälfte einnimmt. Der Boden, auf dem die Menschen laufen, wird durch eine weitere waagerechte Achse weit unten im Bild angedeutet. Die Linie ist größtenteils von den Personen verdeckt. Hierdurch wird eine Verbindung zwischen Menschen und Boden ( = Weltlichem) geschaffen. Aber sie werden dennoch von einer göttlichen Kraft beschützt und geleitet, wie man anhand der rundlichen Ausbuchtung oben am Relief deuten kann. Jedoch haben die Heimatlosen schon allzu viel Leid erfahren, als dass sie noch die Kraft dazu hätten, nach Höherem zu streben oder sich der Umwelt gegenüber zur Wehr zu setzen: Ihre Umrisslinien bilden insgesamt einen rechteckigen Block, der passiv und unbewegt ist. Hierdurch zeigt sich ihre Gelähmtheit und Passivität. Denn die gegenwärtige Situation erlaubt ihnen nichts anderes, als vor Unrecht und Gewalt zufliehen. | |
Diane von Eßen |