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Bernhard Heiliger - Kosmisches Raumelement
 
Bei dem Kunstwerk "Kosmisches Raumelement" handelt es sich um eine abstrakte Reliefplastik, die an der äußeren Stirnseite des Vortragssaales des Sennestadthauses zu finden ist. Bernhard Heiliger schuf dieses Werk 1972, sie wurde jedoch erst 1974 installiert. Die Plastik ist zweiteilig, in Bronze gefasst und teilweise poliert. Die Maße betragen 130 x 60 cm. Sie weist einen Kernbereich auf, der zum größten Teil aus einer Scheibe gebildet wird, und drei Diagonalen, die zu allen Seiten vom Zentrum fortstreben. Die drei Diagonalen verlaufen jeweils in einem Winkel von 120° zueinander. Die Scheibe wird durch die nach rechts auslaufende Diagonale durchdrungen. Die anderen beiden Diagonalen laufen links neben der Scheibe zu einer Art Dreieck zusammen und die rechte Spitze des Dreiecks bildet die Diagonale, welche die Scheibe durchbricht.

Die Komposition beruht auf einer diagonalen Anordnung zwischen Linien, geschwungener Fläche und stark hervortretenden Volumina, die aufeinander bezogen sind. Dadurch, dass die drei Diagonalen eine pyramidalform bilden, wirkt die Plastik sehr raumgreifend, verstärkt durch die leicht konvexe Form der Scheibe. 

Die enorme Dynamik der Plastik wird hauptsächlich durch die Diagonalen und den Kreis hervorgerufen. Allerdings wollte Heiliger mit seiner Skulptur zugleich auch den Eindruck von Statik erzeugen. So kann eine Scheibe potentiell wegrollen und verursacht dadurch den Eindruck von Dynamik. Allerdings wird das Wegrollen der Scheibe durch die Diagonale, welche die Scheibe durchdringt, optisch verhindert. Im Grunde genommen handelt es sich um eine feststehende Einheit. Die plastische Form und der Raum sollen in eine enge Beziehung gebracht werden. Indem ein Moment dieser Bewegung in der Plastik zur Anschauung gebracht wird, ist die Statik der plastischen Form zugleich als eine temporäre und potentielle Form der Dynamik zu verstehen.

Bernhard Heiliger hat mit bestimmten Formen, die er immer wieder in seinen abstrakten Plastiken verwendete, eine bestimmte Symbolik verbunden. Die Scheibe steht als Sinnbild des Lebens. Außerdem hat er oft Vogelleiber in seine Skulpturen eingearbeitet. Mit ein wenig Phantasie könnte man die Scheibe mit der durchdringenden Diagonalen als Flügel ansehen, sodass der dynamische Vorgang des Fliegens veranschaulicht wird, der wohlgeformte und perfekte Körper des Vogels aber hingegen als statisch zu betrachten ist, weil Vögel im Volksmund in der Luft leblos zu schweben scheinen. Zudem versinnbildlichen Vogelleiber für Heiliger das kreatürliche Sein, allerdings zu einer plastischen Formel zusammen gefasst. All dies lässt sich in der Plastik "Kosmisches Raumelement" wiederfinden.

Den Titel kann man auch auf die Intentionen Heiligers beziehen. Es handelt sich bei der Darstellung einerseits um den Ausdruck des Kosmischen, zugleich zeigt sich in der Konstruktion etwas von der Technik beherrschtes, da der Mensch die Gestaltungselemente konstruiert. So gibt es Elemente, wie auch den Menschen selbst, die sich in eine wohlgeordnete, reibungslos funktionierende Welt einzuordnen haben. Die Plastik vereinigt beides: technische Perfektion und natürliche Schönheit die sich nicht unterzuordnen hat. "Eine Symbiose zwischen Technik und Natur".

Deutlich wird, dass für Heiliger Kunst keinesfalls Dekoration bedeutet, sondern ein Ausdruck unseres heutigen Lebensgefühls sein soll.

Zum Künstler: Bernhard Heiliger
Bernhard Heiliger war deutscher Bildhauer und Professor. Er wurde am 11. November 1915 in Stettin geboren und verstarb am 25. Oktober 1955 in Berlin. Bernhard Heiliger entstammte der Familie eines Webereibesitzers. Nach einer praktischen Lehre im Steinschlagen in Stettin besuchte er ab 1935 die Kunstgewerbeschule in seiner Heimatstadt. Von Stettin wechselte Heiliger an die Staatliche Hochschule für bildende Künste in Berlin, die er bis 1941 besuchte. 1938 hielt er sich in Paris auf, wo er Charles Despiau und Aristide Maillol begegnete. Von 1941 bis 1945 leistete Heiliger Kriegsdienst, wobei er auch in Gefangenschaft kam. Nach Kriegsende ließ sich Heiliger als freischaffender Bildhauer in Berlin nieder. In seinen künstlerischen Anfängen entstanden Köpfe und Kleinplastiken. Von 1947 bis 1948 ging er einem Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee nach. 1950 wurde er an die Hochschule für bildende Künste in Berlin-Charlottenburg berufen. Die Lehrtätigkeit beendete er 1985/86.
In den 50er Jahren fand Heiliger seinen unverwechselbaren Stil, der von der geschlossenen Plastik zur raumgreifenden Konstruktion führte, Heiliger versuchte in seinen Skulpturen eine Verbindung von organischer Naturform und abstrakter Statuarik herzustellen: Plastische Form und Raum sollten in eine enge Beziehung gebracht werden, Indem der statische Moment In der Bewegung eingefangen und sichtbar gemacht wird, wird Statik zugleich als eine Form der Dynamik verstanden (Heiliger spricht von "gebannter Bewegung"). Existentielle Erfahrungen verdichteten sich zu abstrakten "Raumzeichen von hohem ästhetischem Anspruch".
1948 erhielt er den ersten Preis für ein Max-Planck-Denkmal. Die Aufstellung der Bronze im Vorhof der Humboldt-Universität scheiterte jedoch. 1952 beteiligte sich Heiliger an einem Wettbewerb für ein "Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen", Nachdem sein nichtausgeführter Entwurf von der Bundesregierung sowie vom "Institute of Contemporary Arts", London, mit dem Anerkennungspreis (1953) bedacht worden war, entstanden mehrere Großskulpturen: 1958 ein "Figurenbaum" für den Deutschen Pavillon der Brüsseler Weltausstellung, 1962 die sieben Meter hohe "Flamme" für den Berliner Ernst-Reuter-Platz, 1965 eine Reliefwand für die Deutsche Botschaft in Paris und 1970 eine Hängeskulptur für das wieder hergestellte Foyer des Berliner Reichstagsgebäudes, Im Großen und Ganzen sehr wichtige und bedeutende Aufträge. Von dem einst dominierenden Bronzeguss, so auch bei unserer Skulptur, löste sich Heiliger mit der Zeit ebenso wie von den Werkstoffen Aluminium, Holz, Polyester und Plexiglas, die in den 70er Jahren Verwendung zur Erprobung "konstruktivischer Formen" gefunden hatten, Schwerelosigkeit, Loslösung vom Boden, Schwingung, oft in einer diagonalen Bewegungsrichtung, charakterisieren seine Arbeiten. Immer deutlicher wird die Ausrichtung der Skulptur auf außerhalb der Gebilde im Raum liegende Punkte, was man bei unserer Plastik sehr schön an den Diagonalen erkennen kann, die zwar durch ein Dreieck eingegrenzt werden, aber dem Betrachter die Unendlichkeit assoziieren lassen, weil keine sichtbare Begrenzung zu sehen ist.
Anfang der 80er Jahre wandte sich Heiliger kompromisslos Eisen und Stahl zu, die den additiven Kompositionsprinzipien seiner späteren Werkphase entgegenkamen, Grundlegend gewandelt hat sich auch Heiligers Formensprache: "Die nach allen Seiten hin scharf konstruierten, teilweise farbig akzentuierten Skulpturen ("Chronos", "Titan", "Auge der Nemesis") spiegeln eine von der Technik beherrschte, wohlgeordnete, reibungslos funktionierende Welt wider", schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 11.11.1985. Und die Süddeutsche Zeitung vom 10.11.1990 erkannte in Heiligers Eisenskulptur "Deus ex machina" (1985) eine Summe, die er "aus seiner Figürlichkeit der 50er Jahre wie aus den in den Raum geschriebenen und in den Raum greifenden Arbeiten der sechziger Jahre" zog. Heiliger zählt zu jenen deutschen Künstlern, die nicht nur die bildnerische Szene der Nachkriegsjahrzehnte in der Bundesrepublik maßgeblich mitgestalteten -1958 vertrat Heiliger die Bundesrepublik auf der Biennale Venedig -sondern frühzeitig auch internationale Anerkennung fanden. Seine Portraitbüsten von Carl Hofer, Ernst Reuter, Walter Gropius, Ludwig Erhard und Theodor Heuss (Realschule Sennestadt) trugen ebenso dazu bei wie das bedeutende zeichnerische Werk des Bildhauers, das sich nach Ansicht der Fachkritik auf einer "Gratwanderung zwischen Körper und Raum" selbstständig entfaltete. Eine große Retrospektive zum siebzigsten Geburtstag Heiligers richtete das Lehmbruck-Museum Duisburg gemeinsam mit den Städtischen Museen Heilbronn im Herbst 1985 aus. Werke des "Grandseigneurs der deutschen Plastik" finden sich in vielen Museen und Sammlungen des In- und Auslandes. Zum bevorstehenden achtzigsten Geburtstag von Heiliger zeigte die Kunsthalle des Bundes in Bonn in einer Retrospektive 112 Plastiken, Reliefs, Zeichnungen und Assemblagen. Heiliger lebte und arbeitete in Berlin. Er hat während seines Künstlerlebens sehr viel erreicht und hat Preise wie das Große Bundesverdienstkreuz gewonnen. Wenige Tage vor seinem achtzigsten Geburtstag, am , 25. Oktober 1995, ist er in Berlin verstorben.
Mareike Schlüer
Weitere Informationen aus einem Artikel des Mitteilungsblattes des Sennestadtvereins